LEDERDEKORATION GESTERN UND HEUTE - Ein kurzer Überblick
Leder - die gegerbte Tierhaut - gehört zu den ältesten bekannten Werkstoffen des Menschen und war daher schon früh dessen Bearbeitungs- und Gestaltungswillen unterworfen. Dies zeigt sich bereits an sehr frühen Beispielen aus dem ägyptischen Bereich, die uns erhalten geblieben sind, denn hier lassen sich bereits an Gürteln und Armmanschetten unterschiedliche Schmucktechniken wie Vergoldung, Schälarbeit und Schnittdekorationen erkennen.
Doch je nach den klimatischen, kulturellen und soziologischen Gegebenheiten weist die Verwendung von Leder ein größeres Spektrum bei denen auf, die primär von der Viehhaltung lebten. Es besteht eine nachweisbare Wechselbeziehung zwischen Ledergestaltung und Tierhaltung oder -Nutzung. Viehzüchter, Jäger und Sammler oder reine Ackerbauern haben zum Leder eine völlig andere Einstellung: für die einen ist ein lebensnotwendiges, für die anderen ein mangelndes, daher kaum zu nutzendes Material, das daher dann meist nur im rituellen Bereich anzutreffen ist.
Doch hierauf genauer einzugehen, würde den Rahmen dieser kurzen Übersicht sprengen. Hingewiesen werden soll auf jeden Fall auf die ethnische Bandbreite, die von lackierten Lederarbeiten in China, Bekleidung aus Fischhaut bei den sibirischen Völkern, kostbaren Rüstungen aus Japan, Pergament-Schattenspielfiguren aus Asien, federkielgestickte Ranzen aus dem alpenländischen Raum über Dinge des täglichen Bedarfs in Afrika bis hin zu der zum Teil aufwendig dekorierten Bekleidung, den Zelten sowie den Transportgeräten der Indianer Nordamerikas reicht
Im abendländischen Bereich wurde das Leder seit dem frühen Mittelalter neben den täglichen Bedarfsartikeln wie Kleidung, Schuhe, Sattel- und Zaumzeug, Stühlen, Zelten etc. auch als ein Material geschätzt, welches sich für die künstlerische Gestaltung und Dekoration direkt anbot. So wurden ab etwa 1300 immer wieder Ledergegenstände der gleichen Art hergestellt, zumeist für Adel und Klerus, später auch für das aufkommende städtische Grossbürgertum. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Behältnisse zum Schutz wertvoller Gegenstände, wie Reliquienkästchen, Schmuck oder Geldkassetten, Futterale, Urkundenladen und die sog. "Minnekästchen“. Es zeigt sich, dass durch die Jahrhunderte hindurch zwei grundsätzlich unterschiedliche Techniken in der Ausschmückung dieser Lederarbeiten angewendet wurden.
Zum einen waren dies die Handvergoldung, eine Bearbeitungsmethode, bei der mit Hilfe von erhitzten Metallstempeln und unterlegter Goldfolie Ornamente auf das Leder gepresst werden. Der Arbeitsaufwand war relativ aufwendig, da die gewählten Muster zunächst blind vorgedruckt werden mussten.
Diese Technik war gegen Ende des 15. Jahrhunderts über Venedig, Süditalien und Ungarn aus dem Orient übernommen worden und gehörte von da an zu den bestimmendsten und variabelsten Lederdekorationen bei Buchbindern, die von diesem Zeitpunkt an die führende Rolle in der Lederdekoration übernahmen.
Heutige Vergoldungen sind jedoch zumeist in sogenannter Pressvergoldung ausgeführt, bei der Maschinen mit Pressplatten hohe Stückzahlen bei gleichmäßigem Druck und schneller Abwicklung gewährleisten.
Die zweite gebräuchliche Art der Lederdekoration umfasste Lederschnitt, Punzung und Treiben.
So waren seit dem Mittelalter Blinddruck und Blindpressung allgemein üblich. Dabei entstanden durch erwärmte Metallstempel Abdrücke von scharfkantiger Prägung und mittels Streicheisen konnten unter starkem Druck lineare Muster gezogen werden.
Der Übergang zum Lederschnitt vollzog sich allmählich, bis dieser sich etwa seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zu hoher Perfektion entwickelte. Dabei wurde ein vorgezeichnetes Motiv mit einem Dreikantmesser geschnitten und anschließend mit einem heißen Eisen nachgezogen, so dass die Schnittränder verhornten. Ermöglichte bereits dieser Lederschnitt ein freies und großzügiges Gestalten, so führten die Bemühungen, Motive in stärkerem Masse hervorzuheben, zur Entwicklung neuer Techniken: die Hintergründe wurden punziert und dominierende Teile zum Relief getrieben. Oft wurde danach das Leder von der Schauseite her entweder mit Modelliereisen oder zusätzlichen freien Zierschnitten nachgearbeitet.
Bemalung oder auch Vergoldung steigerten die Wirkung des Lederschnitts. Dabei entstand auch eine neue Variation, das sogenannte Goldleder, bei der das Leder zunächst mit Gold- oder Silberfolie belegt wurde, ehe die Muster geprägt, lackiert und gemalt wurden. Ledertapeten und Wandschirme zeugen von dieser sich im 16. Jahrhundert in Südspanien aufgekommenen Technik, die bis ins 18. Jahrhundert in der Raumdekoration eine entscheidende Rolle spielte.
Imitationen des Lederschnittes traten bereits zum erstenmal um 1600 auf, wobei der echte Lederschnitt durch Teilprägung mit großen Metallplatten ersetzt wurde.
Zur Zeit des Historismus im 19. Jahrhundert finden sich dann überwiegend reine Press-Imitationen in größerem Umfang, doch wurde auch hier bereits eine Wiederbelebung der alten Techniken begonnen.
Nach 1945 wurde in Deutschland die Dekoration des Leders mit Schnitttechnik und Prägung unter dem allgemeinen Begriff "Punzieren" immer populärer. Ausgangsmaterial für diese Technik ist vegetabil (pflanzlich) gegerbtes, unbehandeltes Leder, denn nur dieses kann Feuchtigkeit in sich aufnehmen und dadurch zur Bearbeitung weich werden. Bei anders gegerbten Ledern, die diese Eigenschaft nicht haben, sind keine dauerhaften Schneide- und Präge-abdrucke möglich.